Häufig ernte ich Stirnrunzeln, wenn ich bei unseren Workshop-Teilnehmern den Begriff „Histogramm“ in den Mund nehme. Dabei ist dieses kleine unscheinbare Diagramm die beste Belichtungskontrolle für deine Fotos. Ich erkläre dir im folgenden Artikel was das Histogramm darstellt, wie du es lesen lernst und wie du damit in Zukunft die Belichtung deiner Bilder im Griff hast.

Wikipedia sagt: „Ein Histogramm ist eine grafische Darstellung der Häufigkeitsverteilung kardinal skalierter Merkmale. Es erfordert die Einteilung der Daten in Klassen, die eine konstante oder variable Breite haben können.“ Soweit natürlich richtig, wenn auch ein wenig verklausuliert. Einfach ausgedrückt: Je höher die Spitzen (Peaks) im Histogramm, desto höher ist der Anteil des jeweiligen Segments am Gesamtbild. Aber schauen wir uns den Aufbau eines Histogramm doch einfach mal an:

Histogramm

Wie du siehst, ist das Histogramm in insgesamt fünf Helligkeitsbereiche unterteilt, von denen die beiden äußeren den meisten Einfluss auf ein gelungenes bzw. misslungenes Foto haben. Gehen wir im folgenden mal etwas näher auf die einzelnen Segmente ein.

Schwarz / Weiß

Die beiden äußeren Segmente zeigen dir den Anteil komplett schwarzer bzw. weißer Stellen im Foto, die keinerlei Details aufweisen. Man spricht hier auch gerne von „abgesoffenen“ (komplett schwarz) oder „ausgebrannten“ (komplett weiß) Bereichen. Sobald du rechts oder links mit einem hohen Ausschlag (Clipping) an die Ränder des Histogramms anstößt, verlierst du Bildinformationen, die Du auch hinterher in der Bildbearbeitung nicht mehr zurückholen kannst. Das muss aber nicht in jedem Fall verkehrt sein. Beispielsweise wäre es bei einer Aufnahme im Schnee durchaus richtig, dass du komplett weiße Stellen im Bild hast. Genauso wirst du komplett schwarze Stellen in einer Nachtaufnahme vorfinden. Es ist wie so oft situationsabhängig. Deshalb ist es immer ratsam, dass Histogramm direkt in der Kamera zu prüfen und direkt vor Ort die Entscheidung zu treffen, ob das Foto korrekt belichtet ist, oder ob du die Belichtung anpasst und ein weiteres (besseres) Foto machst.

Tiefen / Lichter

In den Tiefen und Lichtern eines Bildes sind bei modernen Kameras in der Regel noch soviel Informationen vorhanden, dass eine Aufhellung bzw. Abdunklung dieser Bereiche in der Nachbearbeitung kein Problem ist. Beispielsweise kann man die Lichter eines leicht überbelichteten Wolkenhimmels sehr gut abdunkeln und dadurch deutlich mehr Zeichnung sichtbar machen. Wie viel man in diesen Bereichen an Reserven hat, liegt natürlich in erster Linie am Dynamikumfang der verwendeten Kamera bzw. des verbauten Sensors.

Mitteltöne

Der Bereich der Mitteltöne ist in der Regel der unkritischste von allen. Je mehr Informationen du durch die Belichtungseinstellungen in diesem Bereich sammeln kannst, umso sicherer kannst du sein, dass in deinem Foto keinerlei Details verloren gehen. Es gibt genug Reserven zu beiden Seiten.

Analyse

Am obigen Histogramm kannst du ablesen, dass es sich um ein Foto mit einer relativ ausgewogenen Helligkeitsverteilung mit einer Tendenz zu den Lichtern handelt. Das Histogramm stößt weder in den Lichtern (rechts) noch in den Tiefen (links) am Rand an. Dadurch hat das Foto überall Struktur und Bildinformation. Es könnte demnach ein Foto bei Tageslicht sein. Richtig !

Wipperkotten im Herbst

Das Foto vom obigen Histogramm – Der herbstliche Wipperkotten bei Tageslicht

Verständnisübung

An diesem Punkt hast du bereits genug Wissen aufgebaut, um grundsätzlich ein Foto anhand des Histogramms einschätzen zu können. Theoretisch!

Praktisch möchte ich jetzt, dass du die drei folgenden Histogramme den darunter liegenden Bildern zuordnest. Im Idealfall kannst du nur anhand des Histogramms die Lichtverhältnisse eines Fotos erkennen, ohne dafür das eigentliche Foto gesehen zu haben. Für den Anfang habe ich es Dir etwas leichter gemacht und zeige dir dreimal das selbe Motiv mit unterschiedlichen Belichtungen. Ordne einfach den drei Histogrammen das passende Bild zu. Probier es mal aus!

Wie du anhand des Histogramms vermeidest Bildinformationen zu verlieren

Hast du noch den Merksatz von weiter oben mit den Tiefen und Lichtern parat ? Diese Aussage trifft allerdings nur zu, wenn du deine Fotos im sogenannten RAW-Format (Rohdatenformat) fotografierst. Wenn du im JPG-Format fotografierst, dann sind deine Möglichkeiten in der nachträglichen Bildbearbeitung eher begrenzt. Das trifft vor allem auf die Anpassung der Helligkeiten zu, die du ja in Zukunft anhand des Histogramms optimieren wirst.

Im folgenden zeige ich dir mal ein Motiv mit hohem Dynamikumfang. Hohe Dynamik bedeutet in diesem Beispiel helle Fenster in Kombination mit dunklem Innenraum. Unsere Augen verfügen über ausreichend Kontrastumfang und können solche Szenen problemlos ausgleichen. Ein Kamerasensor bekommt hier schon Probleme. Deshalb ist gerade bei solchen Lichtverhältnissen das Histogramm so wertvoll. Man kann die Belichtung so anpassen, dass weder die Fenster ausbrennen, noch der Innenraum absäuft. Ohne Histogramm würdest du eher nach der Trial-And-Error-Methode fotografieren.

Das erste Foto ist „auf die Tiefen“ belichtet, um einen ausreichend belichteten Vordergrund zu erhalten. Das zweite Foto ist „auf die Lichter“ belichtet, um noch Struktur und Inhalt der Fenster zu erhalten.

Belichtung auf die Lichter

Belichtung auf die Lichter (Unbearbeitet)Belichtung auf die Lichter (Bearbeitet)

Belichtung auf die Tiefen

Belichtung auf die Tiefen (Unbearbeitet)Belichtung auf die Tiefen (Bearbeitet)

Wie du anhand der beiden Beispiele sehen kannst, hat ein Bild in der Regel mehr Reserven in den Tiefen als in den Lichtern. Auch wenn du die Lichter komplett zurücknimmst, sind die Details in den Fenstern verloren. Es bleibt weitestgehend weiß. Im Gegensatz kannst du fast schwarze Bereiche noch sehr gut aufhellen. Die Qualität dieser Aufhellung liegt natürlich auch an deiner Kamera. Hier arbeitet ein größerer Sensor (z.b. Vollformat) in der Regel mit weniger Farbrauschen als ein kleiner Sensor (z.b. MFT).

Merksatz

Belichte im Zweifelsfall eher auf die Lichter als auf die Tiefen, weil du in den dunkleren Bereichen mehr Reserven hast.

Keine Regeln ohne Ausnahmen

Bisher habe ich dir immer gesagt „Achte darauf, dass du links und rechts nicht mit hohen Spitzen (Peaks) im Histogramm anstößt, damit dir die Lichter nicht ausbrennen und die Schatten nicht absaufen. Jetzt gibt es aber doch ein paar Fälle, bei denen das durchaus gewollt ist.

Zum Beispiel wenn du ein Silhouettenfoto (Scherenschnitt) im Gegenlicht machen möchtest. Da sollten dir sogar die Schatten absaufen, damit die Silhouette auch richtig schwarz ist. Aber auch hier hilft dir wieder das Histogramm. Du kannst die Belichtung so weit herunterregeln, bis die Lichter perfekt belichtet sind und musst auf die Tiefen keine Rücksicht nehmen.

Das Histogramm bei Gegenlicht (Silhouette)

Histogramm - Silhouette

Gewollter Scherenschnitt – Die Tiefen saufen gewollt ab

Silhouettenbild

Silhouettenfoto mit strukturiertem Himmel und schwarzem Vordergrund

Das Histogramm beim Nebel

Gerade im Herbst ist die Landschaft häufig unter dickem Nebel versunken. Hier gibt es keine Lichter oder Tiefen. Wenn überhaupt, dann eher angedeutet. Nebel besteht nur aus Grauwerten (Mitteltöne). Deshalb ist das Histogramm eines Nebelbildes auch so schmal wie unten abgebildet. Du kannst natürlich trotzdem durch Belichtungskorrekturen das Histogramm in die Breite ziehen, aber dann hast du vielleicht ein technisch optimales Histogramm, aber keine Nebelstimmung mehr. Somit weichst du hier von der Technik ab und verlässt dich komplett auf die Lichtstimmung, was auch gut und richtig ist.

Histogramm - Nebel

Bei Nebel gibt es kein richtiges Schwarz oder Weiß

Das Histogramm - Nebelbild

Nebelbilder bestehen zum Großteil aus Grauwerten

Nutze dein neues Wissen

Da du jetzt das Wissen über den grundsätzlichen Aufbau eines Histogramms besitzt, solltest du ab sofort dieses Werkzeug auch regelmäßig einsetzen. Wenn du eine Kamera mit LiveView hast, dann kannst du dir das Histogramm meist sogar direkt in der Kamera einblenden lassen. Schau dazu einfach mal in die Bedienungsanleitung. Alternativ kannst du es auch bei der Anzeige für die Bildbetrachtung hinzuschalten. Auch hier hilft ein Blick ins Kamerahandbuch. Du wirst schnell merken, dass dich die Nutzung des Histogramms noch vor Ort vor Fehlbelichtungen bewahren kann, die dir bisher wahrscheinlich erst am Rechner aufgefallen sind. Dadurch steigerst du deine fotografische Ausbeute und bekommst mit der Zeit ein immer besseres Gespür dafür, mit welchen Belichtungseinstellungen du mit deiner Kamera die optimalsten Ergebnisse erzielst.

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